Wolfgang Baxrainer, Aquarelle und Malkurse Hier erfahren Sie alles, wirklich alles über die Aquarellmalerei - von den Grundlagen bis zu unglaublichen Praxis-Tipps und Tricks

Die Linearperspektive - Teil 3

Es gibt einige, teilweise sehr einfache, jedoch ungemein nützliche Methoden, die ebenfalls zur Perspektive gehören. Vielleicht haben Sie nach dem einen oder anderen Tipp sogar schon gesucht?


Die Mitte finden

Wie findet man die Mitte eines Rechteckes? Um beispielsweise das Dach eines Hauses zu zeichnen - falls es denn auch ein gleichmäßiges Dach ist....

Nun - wir alle haben das bereits in der Grundschule gelernt und erinnern uns sicher noch daran. Wir kreuzen mittels Hilfslinien das Rechteck und ziehen weiters eine senkrechte Hilfslinie exakt durch den Kreuzungsmittelpunkt - also die Mitte - nach oben. Jetzt ist mittels zweier passender Schräglinien (je nach dem, wie steil das Dach ist) das Dach leicht aufgesetzt. Das ist ja weiters kein Problem.

Allerdings zeichnen wir nicht immer alle Häuser exakt in der Frontalansicht. Wenn also vom Haus auch eine Seite sichtbar ist, wir demnach eine "Perspektivische" Ansicht anfertigen müssen, wird manchmal beim Zeichnen des Dachgiebels zulange herumprobiert, bis es einigermaßen stimmt. Dabei geht auch das ganz einfach - mit gezeichneten (oder "gedachten") Hilfslinien:

Auch hier gehen wir genau gleich vor. Wir kreuzen die - perspektivisch verzerrte - Vorderseite), ziehen eine senkrechte Linie durch den Kreuzungspunkt - und zeichnen das Dach ein. Je nachdem, wie steil dieses ist.

Beachten Sie die schwachen, in die Tiefe führenden Linien. Diese Neigung kann - genau so wie die Neigung der perspektivischen "Verzerrung" an der Vorderseite, kann mit obigen Tipps zur Neigungsfindung herausgefunden werden. Zur Kontrolle (und nur zur Kontrolle!) können dann die perspektivischen Grundlagen (Perspektive - Teil 2) herangezogen werden.

Übrigens: Die Dachschräge - also die Steilheit des Daches bleibt immer gleich schräg. Die verändert sich auch bei der perspektivischen Darstellung nicht.


Nun - das war ja nicht wirklich schwierig. Wie sieht das aber nun mit Türmen aus? Offenbar gibt es da mehr Probleme, denn was ich da schon alles (auch im Internet) gesehen habe, ist wirklich haarsträubend! Ich wundere mich immer wieder, dass dies den „Künstlern“ nicht selbst auffällt….

Kennen Sie auch solche Zeichnungen von Türmen wie auf der Skizze rechts? Wo die Turmspitze wie eine schief aufgesetzte Zipfelhaube zur Seite abkippt?

Das muss nicht sein. Um die Turmspitze in die Mitte zu setzen, benötigen wir noch immer keine Perspektive, sondern helfen uns mit folgendem Trick:

Zeichnen Sie vom Turm vorerst nur den Sockel, also das Mauerwerk und suchen Sie die richtigen Neigungswinkel.

  • Nehmen Sie die gesamte Breite des Turmes, also die Vorder- und die Seitenansicht und halbieren Sie diese.
    Alternativ verlängern Sie die Außenkanten und messen die Mitte aus.
  • Ziehen Sie nun eine (mittige) Hilfslinie senkrecht nach oben.
  • Legen Sie die Höhe der Turmspitze fest (siehe Perspektive 1 - ''Messen - Größenverhältnisse"), dann ziehen Sie einfach die schrägen Linien zu den sichtbaren Mauerkanten.

Fertig.

Bei einem "Zwiebelturm" funktioniert das ähnlich.

   

Zwiebelturm oder ähnliche Bauten

Auch hier gehen Sie von der "Gesamtmitte" aus:

      • Zeichnen Sie vom Turm vorerst nur den Sockel, also das Mauerwerk und suchen Sie die richtigen Neigungswinkel.
      • Nehmen Sie die gesamte Breite des Turmes, also die Vorder- und die Seitenansicht und halbieren Sie diese.
      • Ziehen Sie die mittige Hilfslinie senkrecht nach oben.
      • Zeichnen Sie nun weitere, senkrechte Hilfslinien ein, abhängig von den Breitenmaßen der Turmelemente.
      • Jetzt erst zeichnen Sie die einzelnen Elemente wie Rundungen, Säulen etc. ein. Berücksichtigen Sie aber dabei unbedingt die Größenverhältnisse..…


Solche kunstvollen Zwiebeltürme können eine ganze Menge an Einzelelementen haben. Das ist aber mit Hilfslinien kein Problem, vorausgesetzt, Sie gehen von der Gesamtbreite aus.

Üben Sie solche Motive oft. Machen Sie vor allem viele Skizzen davon. Das bringt Sicherheit - und letztlich auch gute Zeichnungen bzw. Aquarelle. Denn auch bei "hingehauchten", sehr lockeren Aquarellen kommt es auf die richtige Darstellung an - auch wenn manchmal nur wenig davon zu sehen ist.

 

Die Abstandsverkürzung bei Zäunen, Bögen, Telegrafenmasten ...

Hatten Sie auch schon das Problem, dass Sie z.B. einen in die Tiefe laufenden, gleichmäßigen Zaun zeichnen bzw. malen wollten? Oder Telegrafenmasten, die oft sehr wirkungsvoll in ein Bild integriert werden können? Mit der Entfernung verkürzen sich ja die Abstände - aber hier versagt die "Schätzmethode" in den meisten Fällen....

Es gibt mehrere Möglichkeiten, relativ einfach die Abstände zu "konstruieren" (und hier rate ich ausdrücklich dazu). Ich zeige also die meines Erachtens einfachste Methode zur Lösung dieses Problems. Der Einfachheit halber demonstriere ich das mit Telegrafenmasten. Damit dürften auch Zäune, Bögen, Arkaden oder Laubengänge kein Problem mehr darstellen.

Diese Methode sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, ist aber verblüffend einfach, wenn man sie einmal durchschaut hat.


So geht's:

Die Augenlinie (im Beispiel grün) haben Sie ja bereits für das Hauptmotiv angelegt (oder im Kopf gespeichert).
Zeichnen Sie nun den ersten Mast. Dann markieren Sie den Fluchtpunkt für die Telegrafenmasten und zeichnen Sie die Fluchtlinien (im Beispiel rot).

Jetzt zeichnen Sie den zweiten Mast ein, wobei dieser Abstand geschätzt wird.


Halbieren Sie nun die Höhe des ersten Mastes und ziehen Sie eine Hilfslinie (hier hellblau) zum Fluchtpunkt.

Jetzt ziehen Sie eine Hilfslinie von der Spitze des ersten Mastes diagonal zum (hier blauen) Schnittpunkt bis zur unteren Fluchtlinie.


An der Stelle, wo die (blaue) Hilfslinie die untere Fluchtlinie trifft, wird jetzt der dritte Mast gezeichnet - oben und unten begrenzt von der Fluchtlinie. Sie sehen, der Abstand verringert sich ebenso wie die Höhe.

Anschließend zeichnen Sie die nächste Hilfslinie von der Spitze des zweiten Mastes wieder diagonal zur unteren Fluchtlinie.


Dieses Spiel setzten Sie solange fort, solange es notwendig ist bzw. die Masten (oder Anderes) sichtbar sein sollen.

Versuchen Sie diese Übung mit Fluchtpunkten in verschiedenen Entfernungen. Zeichnen Sie freihand - ohne Lineal und mit schwachen Bleistiftstrichen als Hilfslinien. Sie werden sehen - auch hier macht das Üben wirklich Spaß!


Wenn Ihnen mein Onlinekurs gefällt, würde ich mich über einen Gästebucheintrag sehr freuen.